In Gottes Schule

Nachdem Mr. Rochester wieder mit seiner geliebten Jane vereint ist, erzählt er ihr wie Gott ihn in seine Schule nahm:

Jane! ich bin überzeugt, dass du mich für einen ungläubigen Heiden hältst, aber in diesem Augenblick schwillt mein Herz voll Dankbarkeit gegen den allbarmherzigen Gott dieser Erde. Er sieht nicht wie Menschen sehen, er sieht klarer. Er urteilt nicht wie Menschen urteilen, sondern viel weiser. Ich tat unrecht. Ich wollte meine unschuldige Blume beschmutzen – ich wollte ihre Reinheit mit Schuld besudeln – und der Allmächtige entriss sie mir. Ich, in meiner starren Empörung verfluchte diese Gottesfügung; anstatt mich dem Ratschluss zu beugen, trotzte ich ihm. Doch die göttliche Gerechtigkeit nahm ihren Lauf; das Unglück drückte mich fast zu Boden; ich wurde gezwungen durch das Tal der Schatten des Todes zu wandern. Seine Züchtigungen sind mächtig, und eine traf mich, die mich für immer gedemütigt hat. Du weißt, ich war stolz auf meine Kraft. Und was ist sie jetzt? Ich muss mich fremder Führung überlassen wie ein schwaches, unmündiges Kind. Erst seit kurzem, Jane – seit kurzem begann ich Gottes Hand in meiner Strafe zu erkennen. Ich begann Gewissensqualen, Reue zu empfinden, den Wunsch, mich mit meinem Schöpfer zu versöhnen. Zuweilen begann ich zu beten; es waren nur kurze Gebete, aber sie waren aufrichtig.

Bronte, Jayne Eyre, die Waise von Lowood, Zweiter Teil: Siebzehntes Kapitel, Minute 46:40.

Das erinnert mich an die Worte des Hebräerbriefs:

Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden im Kampf gegen die Sünde und habt das Trostwort vergessen, das zu euch als zu Söhnen spricht: »Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm zurechtgewiesen wirst! Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt.« Wenn ihr Züchtigung erduldet, so behandelt euch Gott ja als Söhne; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Wenn ihr aber ohne Züchtigung seid, an der sie alle Anteil bekommen haben, so seid ihr ja unecht und keine Söhne! Zudem hatten wir ja unsere leiblichen Väter als Erzieher und scheuten uns vor ihnen; sollten wir uns da nicht vielmehr dem Vater der Geister unterwerfen und leben? Denn jene haben uns für wenige Tage gezüchtigt, so wie es ihnen richtig erschien; er aber zu unserem Besten, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden. Alle Züchtigung aber scheint uns für den Augenblick nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen; danach aber gibt sie eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind.

Hebräer 12,4-11

Die Schule Gottes ist häufig keine angenehme Schule. Sie scheint mir für den Augenblick nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen. Sie führt durch dunkle Täler, in denen der Weg kaum zu sehen ist. Mancher Kampf ist in dieser Schule auszufechten, manche Träne muss vergossen, manche Enttäuschung verkraftet werden. Doch ist das nicht alles. Das Schöne ist, dass der Autor des Hebräerbriefes hier nicht einen Herrn und seinen Sklaven oder einen König und seinen Diener als Bild verwendet, sondern einen Vater und seinen Sohn. Damit möchte er zum Ausdruck bringen, dass es hier um eine Liebesbeziehung geht. Dem Vater geht es nicht darum seinen Sohn zu brechen, so wie es bei einer Herr-Sklave Beziehung der Fall sein kann. Es geht ihm auch nicht darum den Sohn zu unterdrücken und seinen eigenen Willen durchzusetzen. Nein, das Ziel des Vaters ist eine gute und gesunde Entwicklung seines Sohnes. Er liebt ihn und möchte ihm helfen. Ihm ist bewusst, dass seine Schule den Sohn auf manch schweren und anstrengenden Weg führt, dies alles dient aber nur zu seinem Besten. Denn der Vater, von dem hier die Rede ist, ist der himmlischen Vater, der keine Fehler macht und der mit vollkommener und bedingungsloser Liebe liebt. Ich, als sein Sohn, darf also stille vor Ihm werden, weil Seine Schule ein Beweis seiner Liebe ist.

Diese Schule zerbricht mich nicht, sie festigt mich. Diese Schule macht mich nicht bitter, sie macht mich am Ende voll Freude. Sie lässt mich nicht gegen Gott rebellieren, sondern bewirkt eine friedsame Frucht. Sie verändert mich in das Ebenbild meines Heilands und Herrn Jesus Christus. Es ist heilsam und nützlich für mich in diese Schule zu gehen. Das Ergebnis ist ein gefestigter Glaube in Jesus Christus und das Staunen über Seine wunderbaren Wege. Dies sieht man allerdings erst im Rückblick, so wie Mr. Rochester erst im Rückblick sah, dass Gott ihn einen guten Weg geführt hatte.