Tiefer: Wie Christen echte Veränderung erleben

Am Anfang steht eine einzelne sündige Tat. Mit der Zeit wird es eine Gewohnheit und geht schließlich in den Charakter über. Ob es der Zorn ist, Lästern über andere, der Geiz oder ein ungesundes Geltungsbedürfnis. Sie sind zu Charaktersünden geworden. Wie kann in diesem Bereich Veränderung stattfinden? Wie können Sünden abgelegt werden, die sich dermaßen tief in die Persönlichkeit verwurzelt haben? Das Buch von Dane C. Ortlund mit dem Titel „Tiefer: Wie Christen echte Veränderung erleben“ gibt darauf Antworten. In diesem Beitrag gehe ich auf das Ziel des Buches ein und fasse die Hauptaussagen und die einzelnen Kapitel zusammen, bevor ich zum Schluss ein Fazit ziehe.

Ziel des Buches

Ortlunds Anliegen ist es, Christen Wegweisung zu geben, wie sie im Glauben wachsen können. Dabei hat er den Titel „Tiefer“ nicht ohne Grund gewählt. Er möchte aufzeigen, dass Wachstum vor allem dann stattfindet, wenn man tiefer geht. Veränderung beginnt im Herzen. Eine oberflächliche Verhaltensanpassung reicht nicht aus, sie ist nicht nachhaltig. Sein Ziel ist es zu beschreiben, wie echte Veränderung für echte Sünder möglich ist.

Zusammenfassung des Inhalts

Jesus

Direkt im ersten Kapitel kommt Ortlund auf Jesus zu sprechen. Er beschreibt das geistliche Wachstum als ein Wachsen in Christus. Deshalb klärt er zuerst die Frage: Wer ist Jesus? Das Nachdenken über diese Frage markiert den Beginn des Wachstumsprozesses. Dementsprechend führt der Verfasser den Leser in sieben Facetten Christi tiefer hinein, um ihm zum einen die Herrlichkeit Jesu aufzuzeigen, zum anderen aber auch die Auswirkungen dieser Erkenntnis deutlich zu machen: Wachstum in Christus. Es geht also zunächst darum, Jesus immer besser kennenzulernen.

Verzweiflung

Das zweite Kapitel ist mit dem Begriff Verzweiflung überschrieben. An sich selbst zu verzweifeln ist eine heilsame Notwendigkeit für das Wachstum in Christus, so Ortlund. Er beschreibt, dass die tiefere Erkenntnis der eigenen Sündhaftigkeit und Verdorbenheit zum Verzweifeln an sich selbst führt. Damit meint er das Verständnis, dass aus dem Christen heraus, d.h. aus seinem Fleisch, nichts Gutes kommt. Das Ergebnis soll allerdings keine Resignation oder Depression sein, sondern Umkehr und das Festhalten an Jesus. Alle Hoffnung und Glaube ruht allein auf dem Heiland. Genau das soll die Erkenntnis der eigenen Unfähigkeit bewirken: Buße und der glaubende Blick auf Ihn.

Einheit

Die Einheit mit Christus ist das Thema des dritten Kapitels. Ortlund sieht dieses Thema als eines der zentralsten im NT an. Er führt einige Bibelstellen an, aus denen hervorgeht, dass Jesus in den Gläubigen wirkt. Das Wachstum geschieht demgemäß nicht aus dem Christen selbst heraus, sondern vor allem durch und mit Jesus Christus.

Doch das ist nicht alles. In Christus sind Kinder Gottes in das Reich Gottes, in eine neue Realität versetzt. Ortlund verweist dazu auf 2. Kor. 5,17. Christen sind in Jesus eine neue Schöpfung. Sie sind fähig zu Ihm zu wachsen, weil Er in ihnen ist. Sie können sich immer mehr in sein Ebenbild verändern lassen, weil sie mit Ihm vereint sind.

Geliebt

Das vierte Kapitel bespricht die Liebe Gottes. Ortlunds Anliegen ist es, aufzuzeigen, dass die Zunahme in der Erkenntnis über die Liebe Jesu ein wichtiger Faktor für das geistliche Wachstum ist. Dafür betrachtet er den Abschnitt aus Eph.3,16-19 näher. Dort betet Paulus für die Epheser zu Gott und bittet u.a. darum, dass sie die Liebe Christi tiefer erkennen, die alle Erkenntnis übersteigt. Diese Erkenntnis ist gemäß dem Verfasser keine rein intellektuelle Angelegenheit, sondern findet auch auf der Beziehungsebene statt. Es geht nicht nur darum, etwas von Christus zu wissen, sondern Ihn zu schmecken und seine Liebe zu erkennen, die ein wichtiges Wesensmerkmal Gottes ist. Es geht auch darum, die Blockaden aufzulösen, die der Erkenntnis der Liebe entgegenstehen. Ortlund nennt den Blick auf das eigene Leben als mögliche Blockade. Man sieht seine eigene Sündhaftigkeit und Verdorbenheit an und kann nur schwer glauben, dass Jesus solch einen Menschen lieben kann. Der Blick muss vom eigenen Leben weg auf Christus gerichtet werden. Am Kreuz ist der Beweis für die Liebe Jesu zu sehen. Es gilt also auf Jesus zu blicken und seine Liebe tiefer zu erkennen. Die Folge davon ist echte Veränderung.

Freispruch

Der Freispruch ist ein weiteres wichtiges Puzzleteil für das Wachstum, welches der Autor in Kapitel 5 aufgreift. Der Freispruch vom Gericht geschieht durch die Rechtfertigung und das Verständnis darüber muss im Verlauf des christlichen Lebens immer weiter vertieft werden. Ortlund gebraucht das Bild des Motors, um diesen Gedanken deutlich zu machen. Der Freispruch (Evangelium) ist nicht nur das Starthilfekabel für den Beginn des christlichen Glaubens, sondern der Motor, der den Glauben am Laufen hält. Ortlund betrachtet das Thema unter drei Aspekten. Das Erste ist die Rechtfertigung, die von außen nach innen verläuft. Die Rechtfertigung wird von außen verliehen. Entscheidend ist also nicht das eigene Verhalten, sondern das Werk Jesu, welches den Christen rechtfertigt. Es kommt von außerhalb, nämlich von Christus

Der zweite Aspekt ist die Heiligung, die von innen nach außen verläuft. Heiligung geschieht nicht durch das Befolgen eines Regelwerks, Heiligung kommt von innen, aus dem Herzen heraus, so Ortlund. Es ist der innere Antrieb, der Heiligung bewirkt, kein Druck von außen.

Mit dem dritten Punkt fügt der Verfasser die beiden Themen Rechtfertigung und Heiligung zusammen. Das Zunehmen in der Heiligung wird durch die tägliche Vergegenwärtigung der Rechtfertigung hervorgerufen. Es geht also darum, dass Evangelium immer tiefer zu begreifen, denn dies ist für die Heiligung der fruchtbare Boden. Ortlund weist darauf hin, dass Christen immer wieder versuchen, ihre Rechtfertigung durch ihre Handlungen (Heiligung) zu erreichen. Dieses Bemühen ist zum Scheitern verurteilt. Die richtige Reihenfolge ist: Zuerst Rechtfertigung, danach als Folge Heiligung.

Der Autor möchte in diesem Kapitel vor allem eins klar machen: Das Evangelium ist nicht nur für den Beginn des christlichen Lebens von Bedeutung, sondern für jeden Tag. Mit den Worten Ortlunds ausgedrückt: „Wir müssen begreifen, dass das Evangelium nicht nur die Eingangstür zum christlichen Leben ist, sondern auch das Wohnzimmer des christlichen Lebens“ (S. 102)

Ehrlichkeit

Im sechsten Kapitel schwenkt Ortlund von der vertikalen auf die horizontale Ebene. Es geht um die Beziehung zu anderen Christen. Dabei geht es nicht um eine oberflächliche Beziehung, sondern eine, die so tief geht, dass man mit seinem Mitchristen über die eigenen Sünden und das eigene Versagen spricht. Er begründet dies mit 1. Joh. 1,5-10. Es geht darum, nicht nur gegenüber Gott ehrlich zu sein, sondern auch gegenüber seinen engsten Freunden oder Angehörigen. Das bedeutet nach Ortlund das Wandeln im Licht. Er sieht diese Praxis als einen weiteren Baustein für das Wachstum im Glauben an. Solch eine Gemeinschaft zeigt sich im Ablegen des frommen Schleiers und dem echten, demütigen und fruchtbaren Austausch über das eigene Versagen. Solche Gemeinschaften mit solch einer Ehrlichkeit werden im Leben Veränderungen bewirken.

Schmerz

Tränen, Trauer, Einsamkeit usw. sind unangenehme, aber wichtige Bestandteile des Wachstums. Ortlund sieht sie sogar als vorrangig an und formuliert in Kapitel 7 die Kernaussage: „Leiden fördert unser Wachstum, wie nichts anderes – wenn wir es zulassen“ (S. 133).

Gott verwendet sie, um die Schlacke zu entfernen. Auch wenn diese Phase schwierig ist, bewirkt sie gute Veränderung. Was vorher verstandesmäßig geglaubt wurde, dringt nun tiefer und wird zu einer persönlichen Erfahrung.

Neben dem Schmerz, der ungewollt über Menschen hereinbricht, gibt es im Leben des Christen noch den Schmerz, der bewusst in Kauf genommen wird. Ortlund spricht dabei von der Abtötung der Sünde. Das ist ein aktiver Kampf, der gegen die Sünde und das eigene Fleisch geführt wird. Allerdings nicht in Eigenregie, sondern „durch den Geist“. Dieser Kampf ist ein notwendiger Bestandteil des christlichen Lebens, um weiter voran zu kommen. Ohne diesen Kampf bleibt man nicht etwas stehen, sondern wird schwächer.

Atmen

Wie können die vom Autor beschriebenen Wahrheiten nun praktisch umgesetzt werden? Darum geht es in Kapitel 8. Es gibt unterschiedliche Praktiken, die für ein Wachsen in Christus relevant sind, Ortlund ist es aber wichtig, vor allem über zwei zu schreiben: Bibellesen und Beten.

Er verwendet die Metapher des Atmens, um diese Glaubenspraxis zu beschreiben. Das Lesen der Bibel bedeutet einzuatmen. So wie der Mensch zum Leben Sauerstoff benötigt, so benötigt der Christ das Wort Gottes. Durch die Bibel wird das Glaubensleben mit der Zeit vertieft. Sie ist für den Wachstumsprozess essentiell, es bedeutet einzuatmen.

Das Ausatmen geschieht durch das Gebet. Mit dem Lesen hat man die Worte Gottes eingeatmet und atmet im Gebet zu Gott nun aus. Ortlund ist es wichtig, die Zusammengehörigkeit des Bibellesens und Betens aufzuzeigen. Das Gebet ist die Antwort an Gott, der durch das Wort spricht. Der Verfasser weist auf Gott als den Vater hin und die Beziehung, die ein Kind Gottes mit Ihm haben darf. Für Kinder ist es ganz natürlich mit ihrem Vater zu sprechen und so dürfen auch Christen mit ihrem himmlischen Vater reden.

Ortlunds Hauptaussage ist hier: Die Gemeinschaft mit Gott wird die Vertiefung des Glaubenslebens fördern.

Übernatürlich

Im letzten Kapitel richtet der Autor seinen Blick auf die Wirkung des Heiligen Geistes. Er möchte Christen damit Mut machen. Durch die Kraft des Heiligen Geistes ist es möglich zu wachsen. Trotz aller Niederlagen und allem Versagen ist das die ermutigende Botschaft: Der Geist Gottes ist am Werk und mit seiner Hilfe ist Veränderung möglich.

Ortlund stellt die Frage wie der Heilige Geist Veränderung in uns bewirkt. Seine Antwort ist: „Der Geist verändert uns, indem er uns zeigt, wie wunderbar Christus ist.“ (S. 180). So fügt sich für den Verfasser ein vollständiges Bild zusammen. Der Geist besiegelt all das, was Ortlund in den ersten 8 Kapiteln angeführt hat.

Fazit

Dem Autor gelingt es, seine Botschaft zu vermitteln: Echte Veränderung geschieht dort, wo Christen tiefer in die Erkenntnis Jesu und des Evangeliums eintauchen. Sie geschieht dort, wo Christen tiefer ihre eigene Verdorbenheit erkennen. Sie geschieht dort, wo sie in eine tiefere Gemeinschaft mit Gott eintreten und einer tieferen Gemeinschaft untereinander.

Letztlich fasst Ortlund seine Botschaft so zusammen: „Sieh auf Christus. Du wirst in Christus wachsen, wenn du deinen Blick auf Christus richtest“ (S. 185).

Positiv hervorzuheben ist, dass der Verfasser häufig Bibelstellen anführt und zitiert, um seine Gedanken zu begründen. Teilweise legt er auch etwas größere Abschnitte aus und arbeitet daraus wichtige Aspekte für das Thema heraus. Ortlund lässt auch andere Theologen zu Wort kommen, die seine Ausführungen bereichern und ergänzen. Die Verwendung von Analogien und Beispielen ist eine weitere Stärke des Buches, die helfen den Inhalt zu erfassen.

An einigen Stellen konnte ich dem Autor nicht folgen. Dies betrifft Aussagen, die sich auf die ewige Sicherheit des Heils beziehen. Sie sind aus meiner Sicht mit der Schrift nicht begründbar. An manchen Stellen skizziert Ortlund außerdem bestimmte Gedanken nur in Ansätzen. Das trifft zum Beispiel auf die Beschreibung der sieben Wesensmerkmale Jesu zu. Ich hätte mir da eine ausführlichere Betrachtung der einzelnen Merkmale gewünscht, verstehe aber, dass der Verfasser sein eigentliches Thema weiterverfolgen will und deshalb die Punkte nur kurz anschneidet.

Besonders herausgefordert hat mich das sechste Kapitel über die Ehrlichkeit. Wie gerne erzeuge ich gegenüber anderen (häufig unbewusst), ein schönes Bild: Alles ist in Ordnung, ich habe die Lage im Griff. Es ist viel Überwindung notwendig, um einem Mitmenschen einen tieferen Einblick in das eigene Herz zu gewähren.

Der Verfasser legt hier ein Buch vor, dass wertvoll ist. Wer sich die Frage stellt, wie eine tiefgreifende Veränderung in seinem Leben möglich ist, dem kann dieses Buch empfohlen werden. Wer schon länger mit bestimmten sündigen Gewohnheiten und Charaktereigenschaften kämpft und einfach nicht zurechtkommt, erhält hier Hilfe. Tiefgreifende Veränderungen beginnen in Herzen und genau das zeigt Ortlund gut auf.