Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie über Luthers Invokavitpredigten.
Als der Bildersturm in Wittenberg stattfand, war dies für manch einen Zeitgenossen nur schwer zu verdauen. Diese Menschen waren mit den Bildern und der Messe groß geworden. Für sie waren diese Dinge für den Glauben von großer Bedeutung. Nun kam ein Karlstadt und andere und rissen diese mit Gewalt weg. Sie nahmen keine Rücksicht auf Menschen, die schwach im Glauben waren. In der Sache hatte Karlstadt ja tatsächlich recht, doch die Ausführung war wenig christlich. Luther sagt dazu in der zweiten Invokavitpredigt folgendes:
Dennoch soll die Liebe hierbei nicht zu streng verfahren und mit Gewalt wegreißen. Aber predigen soll man’s und verkündigen und schreiben, daß die Messe, in dieser Weise gehalten, sündlich ist. Doch soll man niemanden an den Haaren davonziehen oder -reißen; denn Gott soll man’s anheimgeben und sein Wort allein wirken lassen, nicht unser Zutun und Werk. Warum? Weil ich in meiner Gewalt oder Hand die Herzen der Menschen nicht habe, wie der Töpfer den Ton, mit ihnen nach meinem Gefallen zu schaffen. Ich kann nicht weiter kommen als zu den Ohren, ins Herz kann ich nicht kommen. Weil ich denn den Glauben nicht ins Herz gießen kann, so kann und soll ich niemanden dazu zwingen oder dringen; denn Gott tut das alleine und macht, daß das Wort im Herzen lebt. Darum soll man das Wort frei lassen und nicht unser Werk dazu tun. Wir haben zwar das Recht des Wortes, aber nicht Ausführungsgewalt. Das Wort sollen wir predigen, aber die Folge soll allein in Gottes Gefallen sein.
Und etwas weiter:
Darum erfordert es die Liebe, daß du Mitleid hast mit dem Schwachen. So haben’s alle Apostel getan: Paulus, als er einstmals nach Athen kam, Apostelgeschichte 17, in eine mächtige Stadt, da fand er im Tempel gebaute, alte Altäre. Da ging er von einem zum andern und besah sie alle, aber er rührte keinen auch nur mit einem Fuß an, sondern trat mitten auf den Platz und sagte, daß es lauter abgöttische Dinge wären, bat sie, sie sollten davon lassen, riß aber keinen von ihnen mit Gewalt ab. Als das Wort ihre Herzen faßte, da fielen sie selber ab, danach zerfiel die Sache von selbst.
https://jochenteuffel.com/2022/03/07/martin-luthers-zweite-invokavitpredigt-am-montag-10-marz-1522-predigen-will-ichs-sagen-will-ichs-schreiben-will-ichs-aber-zwingen-mit-gewalt-dringen-will-ich-nieman/#_ftn1
Auch in der dritten Invokavitpredigt kommt er darauf zu sprechen:
So wie ich es getan habe, machte es Paulus in Athen. Da ging er in ihre Kirchen und besah alle ihre Abgötterei, schlug aber niemanden aufs Maul, sondern trat mitten auf den Markt und sprach: »Ihr Männer von Athen, ihr treibt alle Abgötterei« usw. (Apg. 17,22) Gegen die Abgötter predigte er, aber er riß keinen mit Gewalt weg. Aber du willst zufahren und einen Auflauf anzetteln, die Altäre zerbrechen, die Bilder wegreißen? Meinst du, die Bilder auf diese Weise auszutilgen? Nein, du wirst sie auf diese Weise wohl stärker aufrichten. Wenn du gleich hier die Bilder umstößest, meinst du, du hättest sie zu Nürnberg und in aller Welt umgestoßen? Grade nicht!
https://jochenteuffel.com/2022/03/08/martin-luthers-dritte-invokavitpredigt-am-dienstag-11-marz-1522-sie-sagen-meinst-du-das-wir-keinen-glauben-haben-oder-doch-werke-ohne-glauben-tun-dann-kann-ich-sie-nicht-weiter-zwingen-sonder/
Die Brechstange ist das falsche Werkzeug, um in der Gemeinde Veränderung zu bewirken. Der Schwache im Glauben soll nicht mit Gewalt von seiner Schwachheit überzeugt werden. Paulus sagt in Römer 15,1:Wir aber, die Starken, haben die Pflicht, die Gebrechen der Schwachen zu tragen und nicht Gefallen an uns selbst zu haben. Der Starke hat in der Sache ja recht, doch kann er durch ein falsches Verhalten das Werk Gottes zerstören (Röm. 14,20). Es gilt in Liebe auf den Nächsten Rücksicht zu nehmen und im Zweifelsfall auf seine Freiheit lieber zu verzichten.