Letzte Dinge

Die Diskussionen um die „letzten Dinge“ werden teilweise heiß geführt. Unterschiedliche Modelle werden miteinander verglichen, aktuelle politische Ereignisse eingeordnet und teilweise ausgiebig diskutiert. Das Wesentliche kann dann schon mal aus dem Blickfeld geraten. Siegfried Kettling spricht mir aus dem Herzen:

Siehe ich komme bald, spricht der lebendige Herr, und die Brautgemeinde richtet ihre Augen voll Sehnsucht auf ihn: Maranatha, ruft sie, Amen, ja, komm, Herr Jesus!, und ihre Augen sehen dabei niemand als Jesus allein. Weil es um ihn geht, auch hier um das SOLUS CHRISTUS, darum ist es nötig:

Abkehr von der Überbetonung der „Letzten Dinge“

Gewiss, wenn er kommt, gibt’s auch aufregende Dinge, Ereignisse, die vorausgehen, begleiten, nachfolgen. Aber in der Mitte geht es nicht um diese eschata (Neutrum Plural!), sondern allein um den eschatos, den Letzten in Person und Singular, um ihn, Jesus Christus selbst. Interessiert uns aber zuerst das, was kommt, statt Er, der kommt, dann füllen wir unsere Zeit mit rechthaberischem Streiten (mit unendlichen Diskussionen über Entrückungen, über den endzeitlichen Stellenwert bestimmter politischer Ereignisse, bzw. deren prophetischer Prognose, um einzelne Personen, denen man abwechselnd den Titel Antichrist verleiht…etc.). Das ist unheilvolle Akzentverschiebung: Er ist die Mitte!

Abkehr vom Missbrauch der „Zeichen der Zeit“

Werden diese fahrplanmäßig aufgereiht, nach schon bzw. noch nicht erfüllt, geordnet, dann kommt – groteskerweise und völlig widersinnig! – heraus: So bald kann er doch nicht kommen. Erst muss der eschatologische Zug doch noch Station 5,6,7 passieren. – Das NT aber kennt die unmittelbare Naherwartung (z.B. 1. Kor. 15,51), die Reformation und der Pietismus haben sie auch gekannt. Wer umfälscht in eine Demnächsterwartung (frühestens übermorgen!), verdirbt mit seinem Kursbuch die Hoffnung.

Abkehr vom Missbrauch der Schrift

In der Diskussion um die Letzten Dinge wird in frommen Gruppen gelegentlich ein Umgang mit der Schrift gepflegt, der sich als prophetisch versteht, sich aber strukturell und methodisch kaum von den Zeugen Jehovas unterscheidet. Die Bibel wird verstanden wie eine chaotische Aufhäufung von Puzzlesteinen, die wir durch raffinierte Kombination zu einem Gesamtbild zu ordnen hätten! Welch ein Gottesbild! Welch ein Schriftverständnis! Gott hat demnach seinen Plan fertig, nun zerstanzt er das Bild in viele Bröckchen, verstreut sie in Hesekiel, Daniel und anderswo und gibt uns schließlich – wohl als Beschäftigungstherapie – den Auftrag, das Ganze sinnvoll zu rekonstruieren, wobei jeder sein Sonderfündlein einbringen darf. – So wird aus der Bibel, deren claritas (Klarheit) die Reformatoren nicht genug rühmen konnten – wohlgemerkt Klarheit von der Christusmitte aus! – ein apokalyptisches Orakelbuch für Eingeweihte! – Und: Wo bleibt bei solchem Forschen noch Zeit, Kraft, Liebe, Eifer für den Einfältigen Missionsauftrag: Gehet hin… (Mt. 28)?

Kettling, …und ihr sollt auch leben!: Mit Christus in die Weite, 6. Aufl. Neuhausen-Stuttgart: Hänssler-Verlag, 1995, S. 61-63.

Und etwas weiter:

Die Augen Jesu locken seine Gemeinde ins Warten. Wohl merkt sie auf das prophetische Wort, wohl achtet sie auf die Zeichen, die Risse im Gebäude der alten Welt, die längst baufällig ist und durch die schon das Licht des Neuen bricht. Doch sie wird nicht diese Risse meditieren, sondern aufschauen zu ihm, der da kommt, wird bitten: Dein Reich komme! und dazu: Dein Wille geschehe! Womit alles, auch die letzten Dinge, ihm anheimgestellt sind. So ist Umkehr zur Hoffnung stets auch Abkehr von der Spekulation, die wohl zur lebhaften, aber nicht zur lebendigen Hoffnung gehört. Apokalyptik, die nicht „Christus allein“ sagt, ist Schwärmerei.

Kettling, …und ihr sollt auch leben!: Mit Christus in die Weite, 6. Aufl. Neuhausen-Stuttgart: Hänssler-Verlag, 1995, S. 64.