Kontrollfreak

Ein Kontrollfreak kontrolliert dreimal beim Verlassen des Hauses, ob er seinen Schlüssel und Geldbeutel nicht vergessen hat. Ist der Herd ausgeschaltet? Sind alle Fenster geschlossen? Ein Kontrollfreak bremst als Beifahrer fünf Sekunden früher. Am liebsten fährt er natürlich selbst. Vom Flugzeug ganz zu schweigen. Allein die Vorstellung, in einem Flugzeug zu sitzen, lässt ihn erschauern. Er möchte, dass andere mit jeder Kleinigkeit zum ihm kommen, sodass er entscheiden kann. Es soll alles nach seiner Vorstellung laufen, er möchte überall involviert sein. Einem Kontrollfreak fällt es schwer, Aufgaben dauerhaft an andere abzugeben. Wenn er es selbst macht, hat er es schließlich unter Kontrolle. Er organisiert am liebsten alles selbst, denn dann kann er sicher sein, dass alles nach seinem Plan läuft. Kurz: Ein Kontrollfreak behält am liebsten immer die Kontrolle über sein Leben. Vielleicht denkst du jetzt: „Okay, aber das trifft so auf mich nicht zu!“ Doch nicht so vorschnell. Eventuell gibt es doch einige Bereiche, wo du die Muster eines Kontrollfreaks aufweist.

Da wären z.B. die Sorgen. Sorgen sind ein Ausdruck dessen, dass man keine Kontrolle über eine bestimmte Situation hat, aber diese gerne kontrollieren würde. Wenn bei mir bspw. morgen ein Vorstellungsgespräch ansteht, habe ich den Ausgang nicht selbst in der Hand. Natürlich hängt einiges davon ab, wie ich mich in dem Gespräch präsentieren werde. Die Entscheidung, ob ich die Stelle bekomme, ist allerdings nicht in meiner Hand. Ich habe keine Kontrolle darüber und so mache ich mir Sorgen. Das zeigt meine Neigung zum Kontrollfreak, ich würde gerne alle Unwägbarkeiten und Unbekannten aus meinem Leben eliminieren. Hier muss ich als Kontrollfreak lernen, Gott meine Sorgen anzuvertrauen. Tatsächlich hat er nämlich die volle Kontrolle. Mein Kontrollfreak-Syndrom kann bei Gott zur Ruhe kommen. Jesus möchte mich davon befreien (Matt. 6, 31-32).

Ein weiteres Beispiel ist das Thema Leid. Wenn alles in Butter ist, denkt man, dass man die Kontrolle über sein Leben hat. An der Arbeit läuft es gut, die Projekte entwickeln sich gut, in der Familie herrscht eine gute Atmosphäre und in der Gemeinde gibt es positive Fortschritte. Das Leben läuft in geordneten Bahnen. Sobald aber etwas deutlich schief läuft und bspw. schwereres Leid eintritt, merkt man, dass dies ein Trugschluss ist. Eine schwere Krankheit, ein Unfall oder Todesfall führt einem deutlich vor Augen, wie wenig Kontrolle man doch tatsächlich hat. In solchen Momenten wird einem scheinbar der Boden unter den Füßen weggerissen. Doch eigentlich werden die Füße auf den richtigen Boden gestellt. Auf den Boden, der ganz deutlich macht, dass Menschen ziemlich viel überhaupt nicht in der Hand haben und auch nicht beeinflussen können. Oft lässt sich nicht beeinflussen, dass man an einer bestimmten Krankheit erkrankt oder in einen Unfall involviert wird, an dem man nicht schuld ist. Der regelmäßig Herzschlag lässt sich nicht beeinflussen, genauso wenig eine Naturkatastrophe, die Teile des Besitzes zerstört. Der Defekt von technischen Geräten lässt sich teilweise nicht beeinflussen. Gestern hat die Waschmaschine noch funktioniert, heute zeigt sie einen Fehler. Es gibt sehr viele Dinge, die Menschen nicht beeinflussen können.

Man würde die Situation gerne kontrollieren, kann es aber nicht. Der Wunsch nach Kontrolle ist verständlich. Schließlich möchte doch niemand Leid erleben, oder? Es wäre ja vorteilhaft, wenn in solchen Momenten alles gelenkt werden könnte. Doch die Frage ist, ob das wirklich gut wäre. Es gibt genügend Beispiele, wo Menschen die Situation zu kontrollieren versuchten, es damit aber nur schlimmer machten. Saul ist solch ein Beispiel. Er wartet in Gilgal auf Samuel, damit dieser Gott die Opfer darbringe. Doch Samuel lässt auf sich warten (1. Sam. 13,8). Das Volk beginnt, König Saul zu verlassen. Saul merkt, dass er die Kontrolle über die Situation verliert. Wie soll er gegen die Philister kämpfen, wenn ihm die Männer davonlaufen? Er beschließt, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und das Opfer eigenmächtig darzubringen (1. Sam. 13,9). Was ist das Ergebnis? Samuel teilt Saul mit, dass sein Königtum aufgrund seines eigenmächtigen Opfers keinen Bestand haben wird (1. Sam. 13,13-14).

Dieses Beispiel zeigt, dass die vermeintliche Kontrolle über eine Situation negative Folgen haben kann. Die Kontrolle über eine Situation ist kein Garant für ein problemfreies Leben. Ganz im Gegenteil sagen Menschen im Nachhinein immer wieder, wie wichtig und wertvoll erfahrenes Leid für ihr Leben war. Sie hätten es sich nicht freiwillig ausgesucht, sind aber später Gott dafür dankbar. Auch bei diesem Thema dürfen Christen getrost Gott alles anbefehlen. Schließlich beherrscht er die Situation und ist der himmlische Vater, der es mit jedem gut meint.

Eine Frage, die Christen häufig gestellt wird ist: „Wie kann ein guter und allmächtiger Gott all das Leid in der Welt zulassen?“ Christen können hier versucht sein, möglichst alles erklären zu können. Gerade die Frage nach dem Leid in dieser Welt und einem guten und allmächtigen Gott ist eine Frage, auf die es keine vollständig befriedigende Antwort gibt. Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze von Christen, die alle ihre Stärken und Schwächen haben. Bisher gibt es meines Wissens keinen Ansatz, der alle Fragen zu diesem Themenkomplex vollständig beantworten kann. Das ist auch nicht verwunderlich, schließlich geht es hier um Gott. Niemand kann Gott vollständig erklären. Niemand kann ihn mit seinem Verstand kontrollieren. Deshalb ist er ja Gott, weil die menschliche Vernunft einfach an Grenzen kommt, die sie nicht überschreiten kann. Natürlich gibt es gute Argumente für den Glauben an Gott. Diese Argumente können auch einem Nichtchristen dargelegt werden. Schließlich geht es beim Christentum nicht darum, seinen Verstand an der Garderobe abzugeben und wider die Vernunft zu glauben.

Dementsprechend darf in Situationen, in denen man keine Antwort hat, auch gesagt werden: „Ich weiß es nicht. Gerade, weil ich Gott nicht vollständig erklären kann, ist er Gott. Es gibt aus meiner Sicht gute Argumente, um an Gott zu glauben, doch verstehe auch ich nicht alles.“ Das ist eine ehrliche und angemessene Antwort. Heutzutage stehen Christen vor der Herausforderung, sämtliche Fragen beantworten zu können. Diese Herausforderung besteht seit der Aufklärung. Während dieser Epoche wurde die Vernunft als oberste Autorität etabliert. Für den Verstand muss es erklärbar sein. Bei der Frage nach Gott ist dies aber ausgeschlossen. Gott steht per Definition über dem menschlichen Verstand. Es ist also notwendig, dass der Mensch sich hier unter Gott beugt, ihn Gott sein lässt und eingesteht, dass er mit seinem Verstand nicht alles kontrollieren kann.

Was treibt einen Kontrollfreak eigentlich an? Es ist die Angst. Angst, die Kontrolle zu verlieren und dadurch Leid zu erfahren. Angst vor unangenehmen Situationen und unvorhergesehenen Ereignissen. Vielleicht ist das Angstlevel heute so hoch wie selten zuvor. Dementsprechend ist der Wunsch nach Kontrolle umso höher. Das schöne für uns Christen ist, dass wir DEN kennen, der die volle Kontrolle hat. Jesus Christus. Er meint es gut mit uns. Das ist die gute Nachricht. Wer sich ihm anvertraut und ihm die Kontrolle überlässt, wird in keiner Katastrophe enden. Die Katastrophe hat Jesus nämlich schon auf sich genommen, als er am Kreuz hing und die Sünden aller Menschen trug. Wer sich Jesus anvertraut, darf Freude, Frieden und Erfüllung erleben. Auch in Schwierigkeiten und Leiden dürfen wir wissen, dass wir bei Gott geborgen sind. Unser Retter und Herr hat das Steuer in der Hand, deshalb dürfen wir ruhig bleiben und brauchen nicht unseres eigenen Glückes Schmied werden.