Notizen zur Apostelgeschichte (27)


Und aus Judäa kamen einige herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr euch nicht nach dem Gebrauch Moses beschneiden laßt, so könnt ihr nicht gerettet werden!

Apostelgeschichte 15,1

Die Judaisten, die hier einen zusätzlichen Punkt zur Errettung hinzufügen wollen, entwerten mit ihrer Forderung das Werk Jesu. Letztlich sagen sie, dass Christus für die Errettung nicht ausreicht, sondern mindestens noch ein weiterer Schritt notwendig ist, nämlich die Beschneidung. Ja, Christus ist wichtig, aber eben zu wenig, der Mensch muss auch etwas zu seinem Heil beitragen. Sie lehrten also „Christus+“. Christus + die Beschneidung. Christus + das Gesetz. Christus + die Werke des Menschen.

Die Juden waren von ihrer Tradition her sehr stark in dem Denken verhaftet, dass sie etwas für ihr Heil tun müssen. Sie mussten das Gesetz so genau wie möglich einhalten und bauten sogar Zäune, um die Möglichkeit der Übertretung zu minimieren. Das Gesetz war für sie von größter Bedeutung, und so hielten sie es für selbstverständlich, dass sich alle daran halten mussten. Dabei merkten viele nicht, dass sie Gottes Gebot ständig übertraten und gar nicht in der Lage waren, alles einzuhalten. Problematisch wurde es, als sie das Halten des Gesetzes mit dem Heil in Verbindung brachten. Die Folge war eine unvollständige Sicht des Werkes Jesu und die Forderung, es durch das Gesetz zu vervollständigen. Kein Wunder, dass Paulus und Barnabas mit den Judaisten heftig aneinander gerieten.

In Galater 2, 4-5 beschreibt Paulus diese Situation:

Was aber die eingeschlichenen falschen Brüder betrifft, die sich hereingedrängt hatten, um unsere Freiheit auszukundschaften, die wir in Christus Jesus haben, damit sie uns unterjochen könnten — denen gaben wir auch nicht eine Stunde nach, dass wir uns ihnen unterworfen hätten, damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch bestehen bliebe.

Es ging also um nichts weniger als um die Wahrheit des Evangeliums, und deshalb gab Paulus diesen falschen Brüdern keine Stunde nach. Hier kann es keine Kompromisse geben, weil das Evangelium auf dem Spiel steht. Die Judaisten stellten also keine nebensächliche, sondern eine grundlegende und entscheidende Frage. Ihre Aussage durfte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, es handelt sich um eine Irrlehre und diese musste mit aller Entschiedenheit bekämpft werden.

Auch heute gibt es eine reale Gefahr der Christus+ Botschaft und des Christus+ Denkens. Dabei würde wohl kaum jemand sagen, dass man neben Jesus noch etwas anderes zum Heil braucht. Aber die Schwerpunktsetzung zeigt oft, dass man doch eine Christus+ Botschaft verbreitet (vielleicht ohne es zu merken). Wenn in der Verkündigung die Werke sehr stark betont werden und Jesus und seine Gnade kaum vorkommen, kann das ein Hinweis darauf sein. Eine Verkündigung, die über Jahre hinweg einen solchen Schwerpunkt hat, wird dann bei den Zuhörern die Vorstellung verfestigen, dass die eigenen Werke notwendig sind, um einmal von Gott angenommen zu werden. Sie werden dann nicht als Folge, sondern als Ursache des Heils gesehen. Unwillkürlich wird den Werken eine Bedeutung beigemessen, die sie nicht haben, und das Heilshandeln Jesu wird geschmälert.

Die Situation der ersten Christen ist also gar nicht so weit von der heutigen entfernt, auch wenn sie heute oft in anderer Form auftritt. Das Ziel des Feindes ist immer, die Wahrheit des Evangeliums anzugreifen und das Werk Jesu zu schmälern. Ein Weg besteht darin, den Werken eine falsche Rolle zuzuweisen und sie als Voraussetzung für das Heil zu betrachten.