Neben der Tatsache, dass dritte Welten die Kultur auseinandernehmen, steht fest, dass dritte Welten antihistorisch sind. Sie betrachten die Geschichte nicht mehr als wichtige Quelle für weises Verhalten, sondern als eine Quelle dafür, wie Menschen früher ausgebeutet und unterdrückt wurden. Werte, die im Laufe der Geschichte erarbeitet wurden, werden über Board geworfen und kritisiert, da sie vermeintlich nur für die Unterdrückung von Minderheiten eingesetzt wurden.
Trueman meint1, dass Karl Marx in der Ablehnung der Geschichte wahrscheinlich als erster zu nennen ist. Marx beschreibt die Geschichte als Geschichte der Klassenkämpfe. Herren und Sklaven, Grundbesitzer und Leibeigene, standen einander gegenüber und spiegelten die Beziehung zwischen Unterdrücker und Unterdrückten wieder. Letztlich ist nach Marx die Geschichte von Unterdrückung geprägt und genau das wird heute von den sogenannten „Progressiven“ propagiert. Die „Opfer“ der damaligen herrschenden Moral sind heute die Helden der Geschichte, die „Täter“ hingegen die Verbrecher.
Diese antihistorische Vorgehen spiegelt sich heute außerdem in haarsträubenden Vergleichen wieder. Kritiker des Islam, der Gender- und Einwanderungspolitik werden von den Linken immer wieder als Nazis gebrandmarkt. Das ist eine antihistorische Haltung, da das monierte Verhalten häufig nicht dem Nationalsozialismus entspricht und einfach nur als Kampfbegriff verwendet wird. Letztlich wird damit die NS-Zeit verharmlost.
Ein weitere antihistorische Tendenz lässt sich in der Glorifizierung des Sozialismus erkennen, die von den Linken betrieben wird. Susanne Schröter schreibt dazu in ihrem Werk:
Da sozialistische Systeme darin versagten, die Menschen zu überzeugen, setzen die Regierungen auf ausgeklügelte Strukturen von Bespitzelung und Gewalt. Nichts zeigt das Scheitern des Sozialismus deutlicher, als die stacheldrahtbewährten Mauern und Schießbefehle der Grenzposten, die die Bevölkerung von der Flucht in die dämonisierte kapitalistische Welt abhalten sollten. Trotz dieses katastrophalen Befundes hielt sich in westlichen Ländern die Mär, dass wahre Freiheit und Gerechtigkeit nur im Sozialismus verwirklicht werden könne. Wer auf die gravierenden Menschenrechtsverletzungen hinwies, wurde entweder als Reaktionär beschimpft oder darüber belehrt, dass die verheerende politische Praxis lediglich eine Folge der falschen Umsetzung der sozialistischen Idee sei. Gewöhnlich reichte es allerdings aus, die Stimmen von Kritikern schlicht auszublenden.
Schröter, Der neue Kulturkampf: Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht, Kap. 6, Min. 16:37.
Die minderwertige Sicht auf die Vergangenheit wird noch an einer ganz anderen Stelle deutlich, wie Trueman2 aufzeigt. Große Technologiekonzerne bringen jedes Jahr neue Geräte auf den Markt und sorgen dafür, dass die Vorjahresmodelle als veraltet gelten. Das was gestern noch modern war, ist heute schon veraltet und das was morgen kommt wird noch besser. Dieses Verhalten sorgt dafür, dass die Vergangenheit in den Augen der Gesellschaft entwertet wird. Die Fortschritte in der Medizin und Wissenschaft verstärken diese Tendenz.
Der Umgang der Bibel mit der Geschichte ist hingegen ein gänzlich anderer, die Geschichte Israels ist dafür ein gutes Beispiel. Im Verlauf des AT, aber auch im NT wird der Auszug Israels aus Ägypten immer wieder aufgegriffen. Der Auszug stellt für das Volk Israel einen sehr wichtiges Ereignis in der Geschichte dar, was die Juden durch das Feiern des Passah zeigen. Der Auszug ist gewissermaßen die Geburtsstunde des Volkes als unabhängige Nation. Die Identität des Volkes ist sehr eng mit der Geschichte verbunden, dementsprechend wichtig ist die Geschichte für die Juden. Auch Jesus zeigt durch seine Aussagen, wie wichtig er die Geschichte nimmt. In Matthäus 22,31-32 sagt er zu den Sadduzäern: Was aber die Auferstehung der Toten betrifft, habt ihr nicht gelesen, was euch von Gott gesagt ist, der spricht: »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist aber nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. Jesus erwähnt hier die drei Erzväter und es ist klar, dass er sie als historische Personen anführt. Dabei zitiert er außerdem einen geschichtlichen Text des AT und wendet diesen auf die Zuhörer an: „Habt ihr nicht gelesen, was euch von Gott gesagt ist?“ Dies ist keine nette Erzählung aus vergangenen Zeiten, sondern Gottes Reden in der Vergangenheit, welches in das Leben der Sadduzäer hinein spricht.
Für das Christentum ist die Geschichte ebenfalls von entscheidender Bedeutung, da der Glaube darauf beruht, dass Jesus Christus tatsächlich in die Welt kam, am Kreuz gestorben und anschließend auferstanden ist. Das NT macht klar, dass dies absolut zentral ist und der gesamte Glauben daran hängt. Paulus zeigt bspw. Im Korintherbrief, dass der christliche Glaube vergeblich ist, wenn die Auferstehung Jesu nicht historisch ist. Geschichte und christlicher Glaube sind eng miteinander verbunden.
Wenn dritte Welten heute die Geschichte geringschätzen und uminterpretieren, zeigen sie damit auch ihre Verachtung gegenüber dem Christentum, welches zutiefst geschichtlich verankert ist. Die antihistorischen Tendenzen stellen weiterhin einen Angriff auf das Christentum dar, da entscheidende christliche Werte wie die Ehe, der Schutz des ungeborenen Lebens oder die Binarität von Mann und Frau in den Mülleimer der Geschichte geworfen werden.